Erkrankung

---WORK IN PROGRESS (diese Seite wird immer wieder verändert und erweitert, es lohnt sich also öfter reinzuschauen)---

Bereits Anfang November 2012 bemerkte ich im Rahmen einer sich anbahnenden Erkältung eine Schwellung der Lymphknoten rechts am Hals. Das ist bei mir soweit normal. Da ca zwei Wochen später mein erster Marathon auf dem Programm stand, wollte ich auf keinen Fall richtig krank werden und begann mich zu schonen und konnte einen richtigen Ausbruch der Krankheit tatsächlich verhindern. Allerdings blieb die Schwellung der Lymphknoten bestehen.
Da ich (wie wohl die meisten Männer) nicht dazu neige schnell zum Arzt zu gehen, musste ich erst eine Weile von meiner damaligen Freundin, meiner Mutter und schließlich meiner Tante bearbeitet werden, bevor ich zu einer niedergelassenen Allgemeinärztin ging. Das war Mitte Februar 2013. Nachdem eine Entzündung ausgeschlossen war, wurde ich auch recht schnell ins Krankenhaus Feldkirch überwiesen wo Anfang März eine Biopsie durchgeführt wurde. Nach einer ersten Woche unter der "Dunstglocke" der Krebsangst kam allerdings Entwarnung aus der Pathologie: "keine Krebszellen feststellbar". Die Erleichterung war natürlich groß. In der Folge wurden unter anderem Autoimmunkrankheiten und immer absurder werdende Infekte gesucht. Alles ohne Erfolg. Irgendwann gaben die Ärzte auf und wollten sich fortan damit begnügen den Hals alle zwei Monate zu sonographieren und ein paar Bluttests zu machen. Da ich einige Wochen nach dieser Entscheidung zurück nach Deutschland ziehen wollte, sollte ich mir dort einen HNO Arzt suchen und diesen diese Tests durchführen lassen.
Glücklicherweise hatte die Ärztin, zu der ich schließlich in Stuttgart ging, einen guten Riecher und meinte, so ein großes Lymphknotenpaket gehöre nicht an den Hals eines gesunden jungen Mannes und schickte mich in die Uniklinik Tübingen. Nachdem diese auch eine Weile in die falsche Richtung geforscht hatte (Krebs war ja ausgeschlossen) und schon eine neue OP zur Probenentnahme terminiert war, kam ein Arzt auf die Idee die Proben aus Österreich anzufordern und neu befunden zu lassen. Und siehe da, es war doch Krebs. Eine sehr seltene und sehr schwer zu diagnostizierende Unterart von Morbus Hodgekin. Dafür habe diese Art den Vorteil sehr gut behandelbar zu sein.
Trotzdem brach für mich eine Welt zusammen. Unterdessen war Ende August 2013. Ich wusste, dass ich den Mist seit mindestens neun Monaten hatte und bei allen Krebsgeschichten, die man so hörte, ging es immer um Tage, höchstens Wochen, die die Heilungschancen ausmachten. Nach quälenden 2,5 Wochen stand endlich fest: trotz der verzögerten Diagnose befand sich die Erkrankung immernoch im niedrigsten Stadium 1a. Die Ärzte meinten, dass wahrscheinlich mein extremes Sportprogramm dabei geholfen habe den Krebs in Schach zu halten. Ob dem wirklich so ist oder ob es nur ein Spruch war um mich weiter zu motivieren, kann man noch nicht so genau sagen. Es gibt noch zu wenige Studien zu Ausdauersport und Krebs. Aber mir hat die Aussage auf jeden Fall geholfen und sie tut es vor allem jetzt nach der Erkrankung bei jedem Training.
Nachdem es in Tübingen noch einige Konfusion gegeben hatte, auf die ich hier nicht näher eingehen will, beschloss ich mich in Heidelberg behandeln zu lassen. Das hatte neben dem ausgezeichneten Ruf der Uniklinik Heidelberg den Vorteil näher an meinem Elternhaus zu liegen, wo ich für die Dauer der Behandlung wieder einziehen wollte.

Nach meinem ersten Termin in Heidelberg ging dann endlich mal alles schnell. Nach den Monaten der Unsicherheit und den Wochen der Angst nach der Diagnose wollte ich einfach nur noch, dass endlich was passiert und dieser Mist nicht einfach weiter wachsen kann. Mittwochs (18.09.2013) war also die Besprechung der Lage. Am Donnerstag (19.09.2013) wurde mir mein Port implantiert. Das ist ein zentraler Zugang zum Venensystem, der unter der Haut liegt und direkt in eine Ader mündet. Damit kann bei der Verabreichung der Chemotherapie auf keinen Fall etwas danebengehen. Das ist deshalb wichtig, da das Mittel nunmal ein Gift ist und falls etwas davon in das umliegende Gewebe geraten sollte, sich eine Nekrose bilden könnte. Also nach und nach absterbendes Gewebe, das dann großflächig herausgeschnitten werden müsste.
Schon am nächsten Tag (Freitag, 20.09.2013) bekam ich dann die erste Infusion. Diese Prozedur nahm immer einen ganzen Vormittag ein. Um 9 Uhr war der Termin. Nach ca einer Stunde gab es ein Arztgespräch. Nach einer weiteren Stunde, wurde der Port "angestochen", also betriebsbereit gemacht und dann ging es endlich los. Die Infusion selbst dauerte dann etwa zwei Stunden und bestand aus vier Medikamenten. Das ganze passierte vier mal im Abstand von jeweils zwei Wochen.
Während der Infusion selbst wurde mir ziemlich schlecht, glücklicherweise wurde ich aber auch verdammt müde. Deshalb dämmerte ich die meiste Zeit vor mich hin. Die Heimfahrt war dann meistens etwas anstrengender, da ich mich konzentrieren musste mich nicht zu übergeben, aber auch das hat jedes mal geklappt und gegen Abend wurde mein Zustand zumindest bei den ersten zwei Behandlungen schon wieder deutlich besser.
Ich will nicht zu genau darauf eingehen, wie es einem in einer Chemo geht. Vielleicht überarbeite ich diesen Abschnitt später auch nochmal und werde etwas ausführlicher. Die wichtigsten Dinge, die mir aufgefallen sind und die mir auch von den meisten anderen Patienten, die ich kennenlernte, bestätigt wurden, sind Müdigkeit, Lustlosigkeit und Schmerzen.
Die Schmerzen sind relativ selbsterklärend. Manche bekommen Knochenschmerzen, andere Muskelschmerzen, bei mir waren es vor allem Kopfschmerzen. Immerwährende ständige Kopfschmerzen. Diese ließen sich zum Glück recht gut in den Griff bekommen. Ich verbrachte zwar Unmengen an Ibuprofen und bemerkte deswegen andere Schmerzen (zB von Infekten) deutlich zu spät, aber die meiste Zeit war mein Zustand als schmerzfrei zu bezeichnen.
Die Müdigkeit und Lustlosigkeit kann man wohl am ehesten damit vergleichen, wenn man das Wochenende durchgefeiert und insgesamt nur 5 Stunden geschlafen hat und montags klingelt morgens um 6.30 Uhr der Wecker. Man würde alles dafür tun um nicht aus dem Haus zu müssen. Und in etwa so fühlte ich mich zu 80% der Zeit in der Chemo.
Das kann zu einigen Spannungen mit dem Umfeld führen. Alle wollen einem was Gutes tun, etwas mit einem unternehmen, eine Freude machen und man selbst hat einfach auf nichts Lust. Ich wollte auch bei schönstem Wetter keinen Spaziergang machen. Nichtmal für ein Oldtimertreffen konnte ich mich aufraffen, obwohl ich Oldtimer eigentlich liebe. Zum Glück hat mir mein Umfeld das nie böse genommen und da kann ich auch nur an alle Angehörigen appellieren: seid geduldig mit dem Kranken, der meint das nicht böse und das ist auch kein Undank. Allein der Gedanke an körperliche Anstrengung kann in dieser Situtation eine Qual sein.
Wie man sich nach dem letzten Satz wohl vorstellen kann, war in dieser Zeit Triathlon für mich überhaupt kein Thema mehr. Das fand in meinem Kopf gar nicht mehr statt. In dieser Zeit war zum Beispiel die Ironman Weltmeisterschaft. Unter normalen Umständen lese ich da zig Zusammenfassungen, schaue Rennberichte oder stehe womöglich nachts auf um es live zu sehen. Dieses Jahr bekam ich über die Mainstream Medien die Sieger mit und das wars.
Das kann traurig wirken, ist aber auch sehr heilsam, da man dadurch auch nicht den eigenen Ambitionen und der Trainingszeit hinterhertrauert. Wenn ich unter normalen Umständen ein paar Tage nicht trainieren kann, zB wegen einer Erkältung oder einer Entzündung, werde ich richtiggehend unleidlich. Ich seh das schöne Wetter und werde sauer, dass ich da jetzt nicht draußen sein kann. Während der Chemo habe ich Monate an Trainingszeit verpasst und es war mir völlig egal. Wäre mein Hirn da wach und willens gewesen, ich wäre wohl wahnsinnig geworden. So ist die Matschbirne und Lustlosigkeit doch zu etwas gut gewesen.
Jedenfalls war nach 2 Monaten die Chemotherapie an sich überstanden. Zusammenfassend kann ich für mich sagen. Es war bescheiden, aber wenn man bedenkt wie eine Chemotherapie auch verlaufen kann, darf ich nicht klagen. Nicht zuletzt mein guter Fitnesszustand hat mir wohl noch schlimmeres Leid erspart.

Normalerweise schließt sich bei der Art der Erkrankung in diesem Stadium direkt an die Chemo eine zweiwöchige Bestrahlung an. Ich bin allerdings in einer Studie, die untersucht ob diese Bestrahlung überhaupt notwendig und gewinnbringend ist.
Bei der Bestrahlung werden Elektronen sehr stark beschleunigt und in das erkrankte Gebiet geschossen um so potentiell verbliebene Krebszellen zu sprengen. Allerdings leidet darunter natürlich auch das umgebende gesunde Gewebe und es können eine ganze Reihe neuer Krebsarten entstehen. Um also zu klären ob man diese weitere Behandlung braucht, werden in meiner Studie alle Teilnehmer nach Abschluss der Chemotherapie untersucht und festgestellt ob der Krebs schon tot ist. Von denen, bei denen das der Fall ist, werden 50% trotzdem nach dem bisherigen Behandlungsschema bestrahlt. Bei den anderen 50% wird darauf verzichtet. Um zu sehen welche Variante die beste Kosten/Nutzen-Bilanz hat, wird nun die nächsten 20 Jahre der Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Teilnehmer erfasst.
Langer Rede kurzer Sinn: nach der Chemotherapie stand ein PET/CT auf dem Programm. Bei dieser Untersuchung wird einem eine zuckrige Flüssigkeit gespritzt, die mit einem radioaktivem Marker versetzt ist. Auf den aufgezeichneten Bilder "leuchten" dann alle Zuckerverbraucher, wie zB das Gehirn. Da Krebs scharf auf Zucker ist, wäre er auch sichtbar. Glücklicherweise war bei nach der Chemotherapie keine Aktivität des Krebses mehr feststellbar. Ich gehörte jedoch zur Kontrollgruppe, die trotzdem bestrahlt werden sollte.

Die Bestrahlung anzugehen war vor allem psychologisch nicht ganz leicht. Aus zweierlei Gründen. Zum einen war ich zu diesem Zeitpunkt ja schon als "krebsfrei" erklärt worden. Es fiel mir also schwer die diversen möglichen Nebenwirkungen und negativen Langzeitfolgen (zB die Entwicklung anderer Krebsarten) anzuhören ohne mich zu fragen: 'Warum genau sollst du das machen? Steig doch einfach aus der Studie aus und lass es bleiben! Wenn so viele kluge Menschen vermuten, dass es ohne Bestrahlung insgesamt der gesündere Weg ist, dann kann der so schlecht nicht sein!'. Letztlich motivierte ich mich mit dem Gedanken, dass ich nur dank der zahlreichen Vorgängerstudien so eine vergleichsweise "verträgliche" Behandlung bekommen hatte und dass es nun meine Pflicht sei zukünftigen Kranken eine noch verträglichere Behandlung zu ermöglichen.
Das andere psychologische Problem war, dass ich recht klaustrophobisch sein kann und man bei der Bestrahlung mit einer speziell angepassten Maske komplett fixiert wird, zumindest wenn das Bestrahlungsfeld wie bei mir im Kopf-/Halsbereich liegt.
Das Prozedere lief etwa eine Woche nach Ende des letzten Chemotherapiezyklus Ende November 2013 zunächst mit einem PlanungsCT an. Dabei wird die oben angekündigte Maske angefertigt. Man liegt auf der Bank eines CT-Gerätes und ein "Tuch" aus warmen nassen Kunsstoff wird über den Kopf gelegt. Dieses wird dann den eigenen Konturen angedrückt und härtet beim Abkühlen aus. Die resultierende Maske liegt dementsprechend eng an. Man kann nichtmal sprechen, was mir als altem Dampfplauderer natürlich extrem schwer gefallen ist. Nachdem das geschehen war, teilte man mir mit, dass ich jetzt einen Punkt auf die Brust tätowiert bekäme. Ich reagierte recht unentspannt. Das hätte man mir ja auch mal vorher sagen können. Wehren konnte ich mich in der Maske allerdings nicht. Das machen die schon ganz clever. Das kleine Pünktchen auf der Brust tat dann auch nicht weh, aber eine Warnung wäre nett gewesen. Dieser Punkt sei eine der Markierungen, an denen ich später ausgerichtet werde, damit die Strahlung auch wirklich nur da treffe, wo sie hinsolle.
Danach wurden noch allerlei Hilfsmarkierungen auf die Maske gemalt und ein CT-Bild erstellt, anhand dessen dann die eigentliche Bestrahlung geplant wurde.

Los ging es dann etwa anderthalb Wochen später. Bei der ersten Bestrahlung müssen nochmal Kontrollaufnahmen erstellt werden, weshalb der erste Termin der längste und unangenehmste ist. Insgesamt muss ich ca 20 Minuten in meiner Maske aushalten. Aber mit ein paar Konzentrationsübungen und ablenkenden Worten der Techniker ging es ganz gut. Die Bestrahlung an sich dauerte bei mir jeweils ca drei Minuten und man merkt absolut nichts davon. In der Folge war hieß es also jeden Tag etwa 45 Minuten nach Heidelberg zu fahren, durchschnittlich 30 Minuten zu warten (absoluter Bestwert, verglichen mit allen anderen Abteilungen, mit denen ich in dieser Zeit zu tun hatte), um dann drei Minuten auf einem Bänkchen zu liegen. Plus Rückweg. Während dieser Zeit stellte ich fast keine Nebenwirkungen fest. Ich hatte wieder öfter Kopfschmerzen, welche mit größerem Abstand zur Chemo zunächst weniger geworden waren und mein Mund war etwas gereizt.
Das dicke Ende kam nach dem Ende der Bestrahlung. Ich war pünktlich zum 23.12.2013 fertig geworden und freute mich über dieses Weihnachtsgeschenk. Dummerweise bemerkte ich beim Festmahl an Heiligabend, dass ich nun sehr starke Schmerzen im Mund hatte und kaum etwas essen konnte. Das blieb auch die nächsten Tage so und legte sich erst nach etwa einer Woche wieder. Etwa zu dieser Zeit bemerkte meine damalige Freundin, dass auf der rechten Seite meines Hinterkopfes ein großes Feld Haare fehlten und die Haut sehr verbrannt aussah. Nochmal einige Tage später bemerkte ich, dass meine linke Gesichtshälfte voller Stoppeln war und die rechte glatt wie ein Babypopo. Die Klinik erklärte mir, das sei alles völlig in Ordnung. Das Bestrahlungsfeld war rechts größer als links, da hier der Befall vorgelegen hatte und die Strahlen könnten durchaus zu Haarausfall führen. In den meisten Fällen sei er allerdings nicht permanent. Ich kann wohl schon so viel vorwegnehmen bei mir war er es nicht.
Das war also das letzte Kapitel der aktiven Behandlung. Ich hoffe meine Studie kommt nicht zu dem Schluss, dass die Bestrahlung ein katastrophaler Irrweg war, aber daran glaube ich bei den bisherigen Zahlen nicht.

---Im nächsten Abschnitt wird es um die erste Erholung, die Entnahme meines Ports und die folgende Reha gehen---

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen